In Potsdam brodelt es! Und das auch nicht erst seit gestern. Die Bürgerinitiative Potsdamer Mitte neu denken hatte in 2016 schon die 15.000 erforderlichen Unterschriften gesammelt, um ein Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen. Inhaltlich ging es darum, dass „keine öffentlichen Gelder für den Abriss des alten FH-Gebäudes, des Mercure-Hotels und des Wohnblocks Staudenhof eingesetzt werden“. Die Unterzeichnenden wurden auf den Unterschriftenlisten darüber aufgeklärt, dass die Folge aus dem Abriss das Entstehen von Luxuswohnungen und Repräsentativbauten sei. Die Initiative betonte „bedeutende Potenziale für eine sozialverträgliche, zukunftsweisende und generationengerechte Weiternutzung des Bestands. Der Verkauf weiterer öffentlicher Liegenschaften wäre unumkehrbar und würde der Stadt und zukünftigen Generationen sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem Zentrum nehmen.“
Im September letzten Jahres wurde der Antrag durch das Stadtparlament abgelehnt mit der Begründung, dass die Formulierung irreführend sei und den Unterzeichnenden suggerierte, dass sie gegen den Abriss besagter Gebäude unterzeichnen würden. Dies sei aber ohnehin rechtlich nicht möglich. Die Initiative legte rechtliche Schritte gegen die Ablehnung wegen Unzulässigkeit ein und der Fall kam am 2. März 2017 vor dem Landesgericht zur Verhandlung. Auch dieses hat den Antrag des Bürgerbegehrens wegen unklaren Formulierungen abgelehnt. André Tomczak, Sprecher der Initiative betonte, dass es in dem Begehren um die nachhaltige Nutzung des Bestandes gehe. Die Bürgerinitiative wird die schriftliche Urteilsverkündung abwarten und behält sich den Schritt der Berufung vor.
Laut dem Verein Mehr Demokratie e.V. ist die nachträgliche Zulässigkeitsprüfung gängige Praxis bei der Ablehnung von Bürgerbegehren: „Der Streit um das Bürgerbegehren zur Potsdamer Mitte ist kein Einzelfall. Die Debatte um die Zulässigkeit bei Bürgerbegehren muss endlich ein Ende haben. Deshalb startet unser Aktionsbündnis ‚Wir entscheiden mit!‘ im kommenden Monat eine Volksinitiative, um die Regeln für direkte Demokratie in Brandenburg deutlich zu verbessern“, sagt Oliver Wiedmann, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie Berlin-Brandenburg.
Am 7. April soll die Unterschriftensammlung beginnen, um sowohl die gesetzlichen Bestimmungen zur Durchführung von kommunalen Bürgerbegehren sowie von landesweiten Volksbegehren zu reformieren. Geht es nach dem Aktionsbündnis, so soll die Zulässigkeitsprüfung von Bürgerbegehren zukünftig an den Anfang des Verfahrens gestellt werden. „So könnten Initiativen noch nachbessern, ohne dass sie schon tausende Unterschriften gesammelt haben“, meint Wiedmann. „Im Falle des Bürgerbegehrens Potsdamer Mitte hätten sich die Initiatoren so mit der Stadt auf eine zulässige Fragestellung einigen können und die Frage würde nun den Potsdamern zur Abstimmung vorgelegt werden.“
Wie geht es jetzt aber in Potsdam weiter? Zunächst einmal behält sich die Initiative den Schritt der Berufung vor. Ein weiterer Schritt wird sein ein Aktionsbündnis zu gründen, um das Thema des Ausverkaufs unermüdlich weiter in den öffentlichen Fokus zu rücken. Durch Veranstaltungen, Happenings und andere Aktionen soll die Potsdamer Gemeinschaft breiter über das Thema informiert werden. Außerdem kann durch eine aktive Präsenz des Aktionsbündnisses ein Bewusstsein darüber geschaffen werden, warum denn eine Stadtmitte für Alle so wichtig ist. Denn auch wenn irgendjemand der über 15.000 Unterzeichnenden gedacht habe, es gehe hier gegen den Abriss der besagten Gebäude, so sind es dennoch über 15.000 Unterschriften, die eine Mitbestimmung fordern und die gegen die aktuellen Pläne der Stadt sind. Ob man die durch einen Gerichtsbeschluss zum Schweigen bringen kann, wird sich am 12.3. - und danach sicher mit vielen anderen spannenden Aktionen - mit der Gründung des Aktionsbündnisses „Stadtmitte für Alle“ auf dem Platz vor dem alten FH-Gebäude mit der Aktion "Das ist unsere Stadt" von 11:00 bis 15:00 Uhr zeigen. Das Bündnis wird ein Außenwohnzimmer bauen, das dafür steht, dass Wohnraum erst dann attraktiv und nutzbar wird, wenn Gemeinschaft einen Raum findet und ihr Potential entfalten kann.
Bereits vor der offiziellen Gründung hat das Bündnis einen breiten Unterstützerkreis. Darunter unter anderen der Förderverein INWOLE des Projekthaus Potsdam, die Initiative "Potsdamer Mitte neu denken", die Initiative Kulturlobby, der Verein LOCALIZE, die Gruppe Metropolar, das Netzwerk KULTURCAMPER und noch viele andere tragen gemeinsam die Idee der Stadtmitte für ALLE.