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Porträt

BBIW#18 // Kost-Nix-Laden

Öffentlicher Raum Gesellschaft Solidarische Ökonomie

von Alexandre Schütze - 9 Dezember 2016

Im Cottbusser Kost-Nix-Laden findet man alles: Schuhe, Geschirr, CDs oder alte Bücher aber vor allem Menschen, die eine gelebte Alternative zum unreflektierten Konsum anbieten.

Als wir an diesem Samstag im Oktober kurz vor 11 Uhr unser Video-Interview mit Lina und Chris abschließen, steht schon ein halbes Dutzend Menschen vor dem Laden in der Deffkestraße 11 an. Da das Team bereits vollzählig und vom Interview wieder vollständig erholt ist, wird der Laden planungsgemäß um Punkt elf geöffnet. Denn im KNL gibt es Regeln, zwar wenige, aber dafür umso wichtigere. Dazu gehören die Öffnungszeiten und eine „Drei-Dinge-Regel“: alle Besucher*innen des Ladens dürfen sich maximal drei Gegenstände aus dem Inventar aussuchen und mitnehmen. Einfach mitnehmen. Ohne Bezahlung, Gegenleistung, Spende oder Tausch. Klar freut man sich über neu mitgebrachte, nutzbare Dinge oder über eine finanzielle Unterstützung, aber Geben und Nehmen sollen unabhängig voneinander geschehen, je nach Bedarf, je nach Möglichkeit.

Und so läuft der Laden bereits seit drei Jahren. Entstanden durch den Verein für ein Multikulturelles Europa e.V. (auch als das Wohnprojekt Zelle79 bekannt, mit der Idee eine Alternative zur Wegwerfgesellschaft zu bieten, wuchs das Projekt nach und nach und füllt jetzt die Räume in der Deffkestraße, bietet einen Laden mit festen Öffnungszeiten, Winter- und Sommersortiment, organisiert Veranstaltungen und nimmt an Festivals, Straßenfesten und Weihnachtsmärkten in der Region teil. Alles Möglichkeiten einige „Konsumnotizen“, also die selbsterstellte Dokumentation zur Konsumkritik, zu verbreiten und eine neue Kundschaft zu akquirieren. Und diese Kundschaft ist breit aufgestellt, von überzeugten Antikapitalist*Innen, über bedürftige ältere Menschen, hin zu einem stetig wachsenden Anteil von nicht deutschsprachigen Menschen.

Für dieses bunte Publikum ist der Laden auch ein Ort der Begegnungen und des (nicht materiellen!) Austausches und für einige von ihnen sogar eine Möglichkeit sich ehrenamtlich zu engagieren. So wird an diesem Tag die Schicht von Anke, einer Frührentnerin und einem jungen Syrer übernommen, die beide, trotz noch bestehender Sprachbarriere, diese Zeit gern gemeinsam verbringen und zugeben, dass sie sich sonst sicherlich nicht begegnet wären. In dem Laden öffnen sich Horizonte und neue Sensibilitäten werden erweckt. Als das Team sich zu seinen geflüchteten Helfern solidarisch zeigte und gemeinsam auf eine Demonstration gegen die Belagerung eines Flüchtlingswohnheims durch Rechte ging, gestand eine ältere Helferin des Ladens zu: „vor einigen Jahren, wäre ich wahrscheinlich auf der anderen Seite der Demo gewesen“.
Auf solche Entwicklungen sind Chris und Lina besonders stolz. Und natürlich auf diese neuen Selbstverständlichkeiten, die innerhalb der drei Jahre für die Nutzer*Innen entstanden sind: einerseits die Differenzierung zwischen Benötigen und Konsumieren, Spenden und Kaufen und andererseits, wie sich Verbrauchen und Mitmachen kombinieren können.

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