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Der Elefant im Raum oder die Megamaschine erkennen lernen

Am 13.12. lud die Eberswalder Nachhaltigkeitsgesellschaft der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde zur Diskussion mit Fabian Scheidler. Prof. Dr. Pierre Ibisch und der Autor erläuterten im Podium die aktuellen Entwicklungen und diskutierten im Anschluss mit den Studenten.

von Claudia Dube
Themen Bildung Gesellschaft Kultur Soziales Wirtschaft
11 Januar 2017

In dem 2015 veröffentlichten Buch „Das Ende der Megamaschine“ versucht Fabian Scheidler darzulegen, wie die historischen Abläufe der letzten 5000 Jahre die Welt sowie die Menschen in ihr geprägt haben und dass durch das Zusammenwirken der Abläufe ein System entstanden ist, dass uns bei genauerer Diagnose zu den ökonomischen, ökologischen und sozialen Krisen der heutigen Zeit führt. Was genau die Megamaschine ist, warum sie am Ende ist und wie es weitergehen kann, wurde vom Autor kurz vorgestellt. Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der HNEE, hat den Ball aufgenommen, um zu schauen, was genau die Diagnose Scheidlers für die nachhaltige Entwicklung bedeutet.

Der Autor und Dramaturg legt dar, dass das heutige System historisch stetig gewachsen ist. Gemeint ist die Historie von hierarchisch organisierten Gesellschaften, die die Entstehung von Herrschaft und Macht markiert. Dieses Machtkonstrukt führte dann mit Hilfe des sich entwickelnden und heutigen drei-Säulen Modells zum Entstehen dessen, was Scheidler die Megamaschine nennt. In den drei Säulen – Ökonomie, Staat und Militär, Ideologie - liegen, laut Scheidler, die gemeinsamen systemischen Wurzeln der aktuellen Krisen begründet.

Die Krux daran die Komplexität anzuerkennen und systemische Zusammenhänge zu erkennen liegt laut Scheidler in der Kurzweiligkeit von politischen Legislaturen und des Sensationstourismus der Medienlandschaft. So würden immer nur Informationsschnipsel zur Verfügung gestellt, bzw. größere, komplexe Probleme nur einseitig angegangen. Der Elefant, der im Raum steht, wird einfach nicht zur Kenntnis genommen. Das System, wie der Autor es beschreibt, läuft wie eine gut geölte Maschine weiter.

Was genau ist die Megamaschine?

Die Megamaschine ist nun also vor circa 500 Jahren in Europa entstanden und umspannt seit etwa 100 Jahren den gesamten Planeten. Prinzip dieser auf Hierarchien basierenden Maschine sei die endlose Akkumulation von Geld. Es gab nach Scheidler auch früher schon Zivilisationen, in denen viel Geld in den Händen von wenigen war, jedoch basierten diese nicht auf ständigem Wachstum, also dem Profit machen, reinvestieren, um damit weiteren Profit zu machen usw. Dieser Zwang zum Wachstum ist tief verankert in politischen und finanziellen Systemen, aber auch in unseren Köpfen. Wir könnten uns eine Wirtschaft, die nicht wächst, kaum mehr vorstellen.

Kein System kann nur auf struktureller Gewalt basieren, also Staat und Militär, sondern es braucht eine Legitimation, die dritte Säule. Nach Scheidler ist dies die Ideologie, die repressive Strukturen unsichtbar macht. Wenn Investoren ein Großteil von Immobilien gehört, mit denen sie dann ihrer Realität der Geldanhäufung nachgehen, Eigentum damit nicht mehr in öffentlicher Hand ist und Menschen dadurch bezahlbaren Wohnraum verlieren, dann wird das allgemein damit begründet, dass der betreffende Mensch oder das Unternehmen etwas richtig gemacht hätte und deswegen erfolgreich sei und im Leben des anderen etwas schief gelaufen sein muss. Global betrachtet benennt Scheidler diese Ideologie als „Mythos des Westen“. In der Kolonialisationszeit waren „die“ die Wilden und „wir“ die Guten. Heute sind diese westlichen Werte das Maß aller Dinge und müssen in die Welt hinausgetragen werden.
Ein anderes Konzept, dass der Megamaschine zugrunde liegt, ist das der Beherrschbarkeit der Natur. Die Natur sei eine Maschine, die man beliebig nach seinen Zielvorstellungen modifizieren könne. Etliche Wissenschaftler, deren Erkenntnisse die heutige Forschung maßgeblich prägen, hätten ihre Erkenntnisse auf dieser Annahme basiert.
Diesem Konzept der Berechenbarkeit liege wiederum das lineare Denken zugrunde. Hierbei wird davon ausgegangen, dass lineare Modellierungen alles berechenbar machen können, dies sei für den Staat, dessen Bürger für eine organisierte Verwaltung berechenbar sein müssen, vorteilhaft. Diese Annahme aber auf Lebewesen anzuwenden, die ein dynamisches System in sich darstellen, könne auf die Dauer nicht funktionieren.

Die Grenzen der Megamaschine

Die gegenwärtigen Krisen ließen sich nicht innerhalb der Logik der Megamaschine lösen, da dieses System an planetare Grenzen stoße. Ewiges Wachstum sei innerhalb bestimmter irdischer Grenzen einfach nicht möglich. Was Fabian Scheidler daran ironischerweise hoffnungsvoll stimmt, ist die Tatsache, dass immer weniger Menschen dem Fortschrittsmythos auflaufen würden. Gab es vor gut 60 Jahren noch eine kollektiv-positive Vorstellung der Entwicklungen in der Zukunft, so seien die Vorstellungen von der Zukunft unter aktuellen Entwicklungen eher düster. Das würde aber eben auch Potential für Veränderung beinhalten.

Scheidler schlussfolgert, dass es eine Option zum Weitermachen nicht gibt. Es wird tiefgreifenden Wandel geben, hin zu einer Gesellschaft, die brutaler und unfreundlicher ist, als die heutige oder hin zu einer, die menschlicheren und gerechteren Werten folgt. Er konstatiert, dass wir uns in einer konfliktreichen Phase der Megamaschine befinden. Er macht aber auch die Möglichkeit auf, dass in einem System, dass chaotischer wird, ein Schmetterlingsschlag eine umso größere Schlagkraft erzielen kann.

Prof. Dr. Pierre Ibisch ist Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Im Fachbereich Wald und Umwelt war er als Dekan und Gründungsmitglied des Studiengang „Global Change Management“ tätig und ist heute neben seiner Tätigkeit als Forschungsprofessor an der HNEE in zahlreichen Gremien wie z.B. der Deutschen Umwelthilfe oder der Heinrich-Böll-Stiftung aktiv. Er resümiert die wichtigsten Punkte des Buchs und hinterfragt wie sich denn das Konzept der nachhaltigen Entwicklung innerhalb des Systems entwickeln könnte und an welchen Stellschrauben man noch drehen muss, damit die nachhaltige Entwicklung nicht ein weiteres Zahnrad innerhalb der Maschine wird.

Die Frage Pierre Ibischs beantwortete Herr Scheidler damit, dass die Gesellschaft sich unbedingt von dem Streben nach Naturbeherrschung entfernen müsse. Wir seien ein der Natur untergeordnetes System und könnten nur darin navigieren und uns anpassen und nicht andersherum. Daraufhin aufbauend stellte Ibisch das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus. Wie denn das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zu bewerten sei und ob eine Struktur wie die EU Nachhaltigkeit tatsächlich etablieren könnte. Scheidler betonte hier, dass der ursprüngliche Gedanke der nachhaltigen Entwicklung, dass auch für nachfolgende Generationen noch genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, unbedingt erhalten bleiben muss. Jedoch sei der Begriff mittlerweile von der Funktionsweise der Megamaschine korrumpiert, d. h. von der Geldakkumulation angetrieben. Auch hier betont er noch einmal, dass Ökonomie und Staat der Biosphäre untergeordnet sein müssen. Es könne kein Trade-off stattfinden.

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen seien unter diesem Gesichtspunkt kritisch zu bewerten, da sie eben zu wenig Ergebnisse lieferten. Jedoch sei auch dieser Schritt in die richtige Richtung besser als gar keiner. Zu hinterfragen sei, dass die Klimakonferenzen auch wirtschaftlich beeinflussbar seien, wie z.B. der COP-21, als Hollande offenlegte dass die Konferenz u.a. von Renault und Unternehmen zur Gewinnung fossiler Energie gesponsert wurden. Überstaatliche Ordnungen wie die EU stehen grundsätzlich für verteidigungswürdige Werte, wie die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und die Wahrung der Menschenrechte. Wichtig sei es jedoch gleichzeitig auch das Subsidiaritätsprinzip zu erhalten. Das heißt wiederum, kleine, lokale Strukturen zu stärken.

Die Suche nach echter Demokratie

Pierre Ibisch stellt abschließend fest, dass Scheidler auf 200 Seiten Diagnose lediglich 20 Seiten Lösungsszenarien skizziert, wie wir auf einen möglichen Kollaps der Megamaschine reagieren können bzw. welche Gestaltungsmöglichkeiten sich heute schon abzeichnen. Er betont dazu, dass sich daran jedoch ablesen ließe, dass es eines tiefen Problemverständnisses bedarf. Sei das gegeben, würden uns die Lösungen quasi anspringen.

Letztendlich sei das Entwickeln von Zukunftsszenarien auch gar nicht so wichtig, sondern bereitet uns besser auf den Wandel, Brüche oder Überraschungen in dem komplexen System der Megamaschine vor. Gerade 2016 sei ein Jahr mit vielen Überraschungen gewesen, wo man gut ablesen konnte, wie manche Dinge sich sehr schnell und überraschend entwickelt haben, wie der aktuelle Rechtsruck oder nationalistische Bestrebungen - eine Art Rollback zu längst Überwundenem. Was also, wenn dieser Rollback uns nun davon abhalten würde in kleinen, selbstorganisierten Strukturen zu arbeiten? Wichtig sei laut Scheidler die Ermutigung, Mut und Hoffnung aufrecht zu erhalten – der berühmte Schmetterlingsschlag, der einen Orkan auslösen könne – auch die kleinen Schritte seien wichtig. Denn die Suche nach echter Demokratie, also der Fähigkeit zur Selbstorganisation, hielte möglicherweise schon einen Teil der Lösung parat.

Ganz wichtig, um selbstorganisierte Strukturen zu fördern seien Medien, die flächendeckend und tiefgreifend aufklären. Demokratie könne nur so gut sein, wie die Leute informiert seien. Medien würden eine Rolle spielen, inwiefern wir einen positiven systemischen Übergang gehen werden könnten. Die meisten großen Medien diskutieren keine größeren Zusammenhänge, die Menschen merken dennoch, dass ihnen irgendetwas missfällt, driften ins Internet ab und informieren sich selbst. Informationen sollten aber in all ihren Zusammenhängen dargestellt werden, damit auch ein realistisches Bild entsteht.

Das Buch „Die Megamaschine“ versucht Zusammenhänge sichtbar zu machen, die kleinen Schnipsel zu einem Bild zusammenzufügen. Was zunächst schwer verdaulich und düster daherkommt, hat das wirkliche Potenzial Konsequenz zu fordern. Konsequenz dahingehend die Strukturen zu hinterfragen, sich zu organisieren und die Flügel auszubreiten.

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