Wohnen ist seit jeher ein Grundbedürfnis aller Menschen. In der Bauindustrie wird auf die Optimierung vieler Parameter wie möglichst günstige Produktion von Baustoffen oder hohe Wärmedämmwerte hingearbeitet - auf den ökologischen Fußabdruck von Zement, Mineralwolle und co. wird dabei bisher eher weniger geachtet. Dass es auch anders geht und man das Thema Bauen ganzheitlich im Einklang mit der Umwelt angehen kann, zeigt Otto Rogge.
Er beschäftigt sich schon sehr lange mit vielen Themen rund ums Bauen und Sanieren von Gebäuden. Zu Naturbaustoffen kam Otto vor 25 Jahren mit einem Aha-Erlebnis. Er besichtigte ein kleines Barockhaus, welches vollständig aus lokalen Naturbaustoffen bestand und trotz seines fortgeschrittenen Alters von über 250 Jahren dank einiger Pflege gut in Schuss war. Es inspirierte Otto, dass es möglich ist, ein ästhetisches, für den Menschen gesundes und stabiles Haus mit nur wenigen Baustoffen wie Holz, Lehm und ein paar Ziegeln zu bauen. Daraufhin gründete er seine Arcana Baugesellschaft, die ausschließlich ökologisch baut, sich mit den Umweltauswirkungen des eigenen Tuns auseinandersetzt und in ständigem bewussten Dialog mit seinen Kund*innen steht.
Der Bau eines Hauses beginnt mit einer Konstruktion aus Holz, die dem Haus statische Stabilität verleiht. Das Holz gewinnt Otto durch Wiederverwendung von Holz aus rückgebauten Gebäuden, durch die Verwendung von Windbruchholz oder durch den Einschlag von Holz direkt aus der Region. Die Dämmung des Hauses spielt eine zentrale Rolle und Otto erzählt begeistert von den Vorzügen natürlicher Baustoffe: „Natürliche Dämmstoffe haben sehr gute Wärmespeicherwerte und leiten Feuchte weiter, so dass keine Klimaanlagen in den Häusern benötigt werden." Das erzeuge nicht nur ein angenehmes Raumklima für die Bewohner*innen, sondern wirke sich auch deutlich auf die Energiekosten aus, die deutlich niedriger als bei herkömmlichen Häusern ausfallen. Als Dämmstoffe verwendet Otto Schilf, Hanf, Stroh, Flachs und Strohballen, also ausschließlich nachwachsende Rohstoffe. Auch diese Baustoffe kommen direkt aus der Region selbst oder aus Nachbarregionen, so dass ein lokaler Bezug erhalten bleibt. Das ist Otto besonders wichtig, um den lokalen Stoffkreislauf nicht negativ zu beeinflussen. Auch für den Außenputz eignen sich die Naturmaterialien hervorragend. Um diesen elastisch zu halten und vor Rissen zu schützen, wird der Putz mit hohem Tonanteil mit Pflanzenfasern, z. B. Strohhäckseln kombiniert. Das Haus wird wetterfest gemacht, indem die Außenseite mit Leinöl oder Hanföl gestrichen wird. Auf diese Weise belastet das Haus, wenn es am Ende seiner Lebenszeit angekommen ist, nicht die lokale Natur, da es fast vollständig biologisch abbaubar ist.
Otto ist nicht nur ein sorgsamer Umgang mit den Materialien des Hauses wichtig, sondern auch mit seinen Kund*innen, die sich während der gesamten Bauzeit mit einbringen können. "Theoretisch kann man in 4 Monaten ein Einfamilienhaus fertigstellen. Durch bewusstes Bauen nehmen wir uns aber meist mehr Zeit, damit die Bauleute ein Gefühl für die Sache bekommen und noch Dinge umentscheiden können." Nicht nur seine Kund*innen können sich direkt am Hausbau beteiligen, denn Otto bietet auch Mitmachbaustellen an. Dort können Menschen, die Lust haben, sich beteiligen, ihre praktischen Erfahrungen im Lehmbau oder Dämmung erweitern und auch Wissen über theoretische Grundlagen des ökologischen Bauens sammeln.
Otto möchte das Wissen über Naturbaustoffe noch weiter in die Gesellschaft tragen und bietet neben dieser Art der Beteiligung auch Vorträge und Praxisseminare für Studierende und Interessierte an. "An Hochschulen und bei handwerklichen Ausbildungen sollte das Thema Naturbaustoffe stärker und tiefgründiger aufgegriffen werden, um die Vorteile und sehr guten Eigenschaften dieser Materialien vorzustellen und in den Vergleich zu konventionellen Baustoffen zu setzen." Gerade entsteht in Niederfinow ein Zentrum für den Erhalt von Baukultur, das als Bildungsstätte und Ort der Begegnung in Weiterbildungen und Seminaren ökologisches Bauen in den Mittelpunkt stellen wird. Otto wünscht sich außerdem, die Regelwerke für Baustoffe zu lockern, um die Hürden für die Verwendung nachwachsender Rohstoffe im Hausbau zu senken. Das sei nun auch dringend nötig, da herkömmliche Baustoffe aus endlichen Ressourcen hergestellt würden, häufig nicht biologisch abbaubar sind und deutlich mehr Primärenergie benötigen als ihre natürlichen Gegenstücke. „Wir sollten uns fragen: Was ist gut für uns? Was ist gut für die Umwelt? Wie können wir am besten leben? Ich möchte frei von Umwelt- und Wohngiften sein und frei atmen können!“, gibt uns Otto zum Schluss als Denkanstoß mit auf den Weg.