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Porträt

BBIW#35 // Stolze Kuh

Landwirtschaft Lebensmittel und Ernährung Tiere

von Alexander Wenzel - 16 Januar 2019

Das Wesen der Kuh zu achten, ist Anja und Janusz Hradetzky wichtig. Mit ihrem Hof in Stolzenhagen zeigen sie deshalb, wie eine möglichst naturnahe und ganzheitliche Milchviehhaltung aussehen kann.

Nur wenige Stunden bleiben Kalb und Mutterkuh nach der Geburt zusammen. Und ist das Kalb männlich, wird es meist sofort "entsorgt". So ist es gängige Praxis in der Milchindustrie. In Stolzenhagen an der Oder läuft es jedoch ganz anders.

„Wir haben hier eine Landwirtschaft aufgebaut mit allen Idealen – wir wollen es möglichst ganzheitlich machen“, sagt Anja Hradetzky, die mit ihrem Mann Janusz den Ökohof Stolze Kuh führt. Mit allen Idealen heißt hier: die Kälber bleiben bei der Mutter oder einer Ammenkuh, die immer zwei Kälbchen großzieht; auch männliche Kälber werden aufgezogen – man sieht deshalb Bullen auf dem Hof – und die Tiere haben hier Hörner. Denn gewöhnlich werden diese in den Milchbetrieben entfernt, oder die Tiere kommen, durch Züchtung, bereits hornlos zur Welt.

Angefangen haben Anja und Janusz mit nichts: Die beiden haben keinen bestehenden Hof übernommen oder vererbt bekommen, sondern den Hof „Stolze Kuh“ 2014 neu aufgebaut. Kennengelernt haben sie sich beim Ökolandbau-Studium in Eberswalde. Doch nach dem Studium ging es erst einmal für zwei Jahre hinaus in die Welt: Mal arbeiteten sie auf einem Selbstversorgungshof in den Masuren, mal auf einer Kuh-und-Ziegen-Alm in Südtirol, wo
Janusz das Käsen lernt. Schon früh steht für die beiden fest, später selbstständig arbeiten und Kühe halten zu wollen. Geplante Hofübernahmen – zurück in Deutschland – klappen nicht, weshalb sie einfach aufs Land ziehen, zufällig nach Stolzenhagen. Hier können sie Land und Stall pachten – „dann durften die Kühe kommen“, so Anja Hradetzky. Finanzieren können sie die Kühe mithilfe von Kuhanteilen, einer Art von Genussschein: Die Zeichner kaufen ein Stück Kuh und bekommen die Zinsen dafür in Sachwerten ausbezahlt.

Weiden im Nationalpark

Eigentlich ist der Hof „Stolze Kuh“ ein Betrieb mit 30 Milchkühen, zurzeit leben jedoch 85 Tiere auf dem Hof. Da es sich um Zweitnutzungsrassen handelt, die sowohl Milch geben, als auch Fleisch ansetzen, behalten die Hradetzkys auch die Nachzucht. Geschlachtet werden die Bullen erst, wenn sie groß genug sind. Bis dahin weiden die Tiere das ganze Jahr über draußen und werden nur mit Hof-eigenem Getreide gefüttert. Denn davon gibt es genug: 160 Hektar bewirtschaften die Hradetzkys im Nationalpark „Unteres Odertal“, davon auf 30 Hektar alte Getreidesorten und ganz viel Kleegras.

Einen Teil der Milch verarbeitet Janusz in der mittels Crowdfunding finanzierten eigenen Käserei zu Joghurt, Halloumi, Schnitt- und Frischkäse weiter. Verkauft werden Milch, Fleisch, Eier und die Käseprodukte ab Hof und auf dem jeden Samstag stattfindenden Jungbauernmarkt, den die beiden gegründet haben. Zu einem Treffpunkt für das ganze Dorf und die Dörfer in der Umgebung sei dieser mittlerweile geworden, berichtet Anja Hradetzky. Auch nach dem Modell der solidarischen Landwirtschaft haben die beiden Ökolandwirte versucht, ihre Produkte zu verkaufen. Was jedoch zu kompliziert und mit zu großem logistischem Aufwand – neben der Kernarbeit musste auch jemand die Produkte abpacken und an die Abholstellen ausfahren – verbunden war. Weshalb sie nun lieber auf selbstorganisierte Sammelbestellungen und Online-Direktvermarktung setzen.

In Sachsen auf dem Land sei sie aufgewachsen, aber Haustiere durfte sie keine haben, erzählt Anja Hradetzky. „Ich kann das jetzt kompensieren mit ganzen vielen Tieren um mich herum.“ Wobei sie besonders stolz ist: „auf unsere stolzen Kühe, die uns mit so vielen Sachen beschenken – und denen wir hoffentlich ein schönes Leben ermöglichen können hier draußen“.

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1 Kommentare KOMMENTIEREN
Patrick Grabasch hat einen Kommentar geschrieben
Tolles Projekt. Weiter so.
19:50 03/03/2019
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