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Porträt

BBIW#36 // das energieautarke Dorf Feldheim

Ökodörfer Erneuerbare Energien Klimaschutz

von Andreas Gerlof - 30 Juni 2019

Das energieautarke Dorf Feldheim hat schon 1993 ein Gesamtkonzept zur autarken Strom- und Wärmeversorgung des Ortsteils entwickelt und es seitdem umgesetzt und erlebt.

Modellort Feldheim: Mehr als ein gelungener Feldversuch!

Mit hochgerechnet 40 Besuchern durchschnittlich pro Einwohner und Jahr erntet der kleine südbrandenburgische Ort Feldheim wohl den Neid so manch angesagter touristischer Metropole in Deutschland. Dabei sollten wohl nahezu alle bundesrepublikanischen Kommunen auf etwas ganz anderes neidisch sein, was das Dorf mit seinen 35 Haushalten und 130 Einwohnern ihnen vormacht: Es darf sich Modellort nennen, bezogen auf die hier erreichte ausschließliche Strom- und Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien, komplett ohne fossile Energieträger.

War der 2008 begonnene Aufbau einer Biogasanlage noch „marktbedingt“ – damals herrschten außergewöhnlich niedrige Getreidepreise – hat doch das Gros der jetzt erreichten Erfolge zuallererst etwas mit Überzeugung, Kommunikation und Maßhalten zu tun.
Barbara Ral, Klimaschutz-Managerin des Kreises Potsdam-Mittelmark, erläutert im historischen Rückblick, dass hier beispielsweise niemand mit einer Windpark-Idee überfahren wurde. Lange vor dem Aufstellen der ersten Windkraftanlage hatte deren Initiator Michael Raschemann, Gründer und heute Geschäftsführer der energiequelle GmbH, das ausführliche Gespräch gesucht und die Bevölkerung stets mit ins Boot genommen. So ist die heute existierende „Feldheimer Energie GmbH und Co KG“ keine Kopfgeburt, sondern ein Stadtwerk, eigentlich ja ein Dorfwerk, das die Kunden überzeugt hat – nicht nur wegen der um rund 15 % geringeren Stromkosten, die sie im Deutschlandvergleich hier haben.
Die ersten vier Windkraftanlagen mussten überdies erst ihr Geld einspielen, bevor die nächsten folgten. Einnahmen wurden nach Absprachen weiter investiert, auch nachdem sich die Wahl des Ortes – flaches, nur leicht ansteigendes Land mit nahezu stetigem Wind in ausreichender Stärke - als richtig erwiesen hatte. Die Gondel des 1. Windrades ist heute übrigens ein Ausstellungsstück im Kompetenz- und Besucherzentrum, das in einer ehemaligen Kneipe aufgebaut wurde, und entmystifiziert damit auch gegenständlich an diesem Ort das, was sich andernorts als „Windkraftmonster“ und ewiger Zankapfel zwischen Investoren, Kommune und Bewohnern aufgestaut hat.
Für das „Abpuffern“ der Amplituden der windgestützten Stromproduktion sorgt hier ein hochmodernes „Regionales Regelkraftwerk“, das nach Aussage von Barbara Ral das Netz in halb Ostdeutschland stabilisiert.
Ähnliche unumgängliche und effiziente „Anschlusstücke“ gibt es auch an den anderen Energieflanken: Die Gülle aus den Schweinestellen gelangt unterirdisch in die Biogasanlage. Zwei große Zylinder speichern das nötige warme Wasser für das Heizsystem, sollte es an besonders kalten Tagen nötig sein, springt eine Anlage an, die zusätzlich aus Hackschnitzeln Wärme erzeugt. Kein Feldheimer Haus benötigt heute noch eine eigene Wärmeversorgung.
Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, wirkt der Ort alles andere als ausgelaugt. Die Bewohner leben offensichtlich nicht nur gern, sondern auch gut hier. Auch die Agrargenossenschaft als größter örtlicher Arbeitgeber hat vom modellhaften Umgang mit Energie und Wärme profitiert, junge Familien und viele Kinder prägen das Ortsbild. Für die heranwachsenden CO2-Vermeider der Region organisiert man im Kompetenz- und Besucherzentrum Schülerprojekttage und wirbt für Berufe, die die Energiewende verlangt.

Und wer das alles im ursprünglichsten Sinne des Wortes selbst erfahren will, für den stehen am Kompetenz- und Besucherzentrum kostenlos Pedelecs zur Ausleihe und Ausfahrt zum Windpark bereit. Deren Batterien, logisch, im eigenen Netz wieder aufgeladen werden können. Mit Strom aus 100% erneuerbaren Energien.


(Der Vollständigkeit wegen hier noch eine Klammerbemerkung zu den Eigentumsverhältnissen: Strom- und Wärmenetz sind halbkommunal, halb privat (Feldheimer Energie GmbH und Co KG ), die Stromerzeugung privat organisiert (energiequelle gmbh oder sonstige Anbieter) und auch die Wärmeerzeugung funktioniert privat (energiequelle GmbH sowie die örtliche Agrargenossenschaft als Lieferant). Fördergelder gab es übrigens bisher nur für das örtliche Wärmenetz.

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