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Porträt

BBIW#2 // ADFC Fahrradselbsthilfewerkstatt Potsdam

Mobilität Soziales DIY

von Lena A - 18 August 2016

Wieso gibt es eigentlich keine Fahrradfee? Ist dieser Shimano nicht Fahrradgott? Wenigstens schützt er passionierte Alltagsfahrer*innen vor dem Super-GAU des Zahnverlusts und vice versa ... Auf der verzweifelten Suche nach Fahrrad-Wortanomalien finden wir Ulf, einen „Mann im Unruhestand“, ehemals Ingenieur und deshalb aktives Mitglied beim ADFC – einer Fahrradlobby, die regional, national und international politische Stimme vieler Radler*innen ist und für die Umwelt handelt.

Felix fliegt Heißluftballon, Pippi reitet auf großer Onkel und Wickie schippert auf einem Wickingerschiff gen große Abenteuer. Das Fahrrad hingegen ist (mit Ausnahme von Janosch, dem kleinen Tiger, der plötzlich ein Fahrrad statt seiner Ente braucht und sonst keine Lust mehr zu essen und zu leben hat, sowie Peter Lustigs legänderen Sturz, bei dem nichts weiter Spektakuläres passiert) vielleicht zu lebensweltlich um in die Geschichte der Kindheitsträume einzugehen.

In der Erwachsenenwelt hat das Fahrrad einen Interessenverband: den ADFC Landesverband Brandenburg e.V. Der wälzt Paragraphen, startet fahrradfreundliche Projekte und vernetzt Gleichgesinnte. Der Verein setzt sich für alle ein, die gerne Rad fahren, hat laut eigenen Angaben aber auch ein Herz für Fußgänger*innen. Im Interesse der Verbraucher*innen mischt sich der ADFC in Pläne der Industrie ein und hat ein Auge auf Qualität in der Herstellung. In der Verkehrspolitik bringt sich der Verband parteilich, und zugleich parteineutral, für die Förderung des Fahrradverkehrs ein und kooperiert dafür mit Umweltschützer*- und Sicherheitsförder*innen. In ihrer Freizeit fahren die Mitglieder des ADFC, natürlich, gern gemeinsam Fahrrad – in der „wunderschönen Potsdamumgebung“ organisieren die Radlerfreunde Feierabendtouren und „Radeln in Brandenburg“, zum Abschluss gibt’s vielleicht ab und zu ein Bier mit Limonade.

Ein „Appendix des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs“ ist die Fahrradselbsthilfewerkstatt in Potsdam hinter der Geschäftsstelle in der Gutenbergstraße, für Mitglieder und Nichtmitglieder und auch zum Fahrrad kennenlernen, zum ersten Mal den Traum vom richtigen Luftdruck verwirklichen. Die Finanzierung funktioniert durch Mitgliederbeiträge des Clubs und die Materialbeschaffung meist durch Spenden der Benutzer*innen. Die Werkstatt ist nichts für professionelle Reparaturen, sie ist eher mit Standardwerkzeugen ausgestattet, „weniger spezielle Geschichten“, mehr „wenn mal eine Speiche bricht“. Darüber hinaus finden Aktionen wie „das Fahrrad codieren“ statt, gerne geben Helfer*innen wie Ulf Tipps oder vermitteln an eine professionelle Werkstatt und beraten für den nächsten Fahrradkauf.

Seinen Ursprung hat der ADFC in Bremen. Dort gründet Jan Tebbe 1979 den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, der schnell auf überregionales Interesse stößt und 1990 zur Gründung des Potsdamer Clubs führt. Zu einem geschichtsträchtigen Zeitpunkt, dem letzten Tag der DDR, erhält der ADFC seinen Eintrag durch Urkunde mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz attestiert. Fortan legt der Allgemeinen Deutsche Fahrrad-Club seinen Kontakt zu DDR Umweltschutzgruppen wie dem Ökolöwen Leipzig offen und Bundesbürger*innen dürfen endlich grenzenlos radeln. Ab 1999 ist die Stadt Potsdam Fördermitglied, 12 Jahre später geht eine Radtourendatenbank für Brandenburg online und zum Jahresbeginn 2013 zählen die Fahrrad-Fans 2059 Mitglieder.

Auch die Selbsthilfewerkstatt hat einen historischen Hintergrund: der Raum im Holländischen Viertel ist ehemaliger Sitz der traditionsreichen Schuke Orgelbau GmbH, die von 1820 bis heute Orgeln in alle Welt lieferte - an der Wand der Fahrradresidenz heutzutage als Moment photographisch festgehalten. Darüber informiert Ulf seine Gäste bei Interesse, sein zweites Standbein sozusagen, zwischen Pedale und Philharmonie. Der schon im Kindesalter passionierte Radler wünscht sich einen neuen Werkzeugsatz oder einen anderen Drehmomentschlüssel, „etwas aufwändigere Werkzeuge, die man hin und wieder dann doch mal braucht“. Ulf, der für das Team der Werkstatt spricht, ist bescheiden, freut sich über ein Dankeschön und die glücklichen, und hoffentlich klügeren, Gesichter seiner Kund*innen.

Wandel in der Fahrradwelt heißt technische Neuerungen, E-Bikes. Diese Aufgabe, die mit einer gewissen Verantwortung behaftet sei, überlässt Ulf gerne den Profis. Für das Standardrad sei die Werkstatt hingegen gut ausgerüstet. „Mach das Beste draus“, sagt Ulf zum Ende des Interviews, über den Fahrradkontext hinaus ein sympathisches Lebenskonzept.

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