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FH Potsdam – Versuch einer Stadtentwicklung von unten

Für ca. zehn Stunden wurde das Gebäude der FH-Potsdam am Alten Markt am Donnerstag, den 13. Juli, besetzt. Zeitgleich wurde auch ein 4-tägiges Protestcamp eingerichtet. Das Bündnis ‚Stadtmitte für Alle’ und weitere Initiativen wollten damit gegen den Abriss des Gebäudes und eine geplante barocke Rekonstruktion protestieren. Wie wird es nun weitergehen?

von Alexander Wenzel
Themen Öffentlicher Raum Gesellschaft
28 Juli 2017

„Wir streiten weiter für eine Stadt für alle, für das Recht auf Stadt und für eine offene, gemeinschaftliche und solidarische Stadt!“ heißt es in einer Pressemitteilung des Bündnisses ‚Stadtmitte für Alle’. Dieses besteht aus Potsdamer Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen, die sich für den Erhalt des FH-Gebäudes am Alten Markt und eine inklusivere und nachhaltigere Entwicklung der Stadtmitte einsetzen.

Ein Zeichen setzten

„Bitte stehen lassen“ war auf Bannern zu lesen, welche vom Dach des FH-Gebäudes am Alten Markt hingen. Entrollt wurden diese von einer Gruppe von Abrissgegnern mit selbigem Namen, welche am Donnerstag, den 13. Juli, das FH-Gebäude besetzte. „Um die FH vor dem Abriss zu retten“ und sich für eine gemeinschaftliche Weiternutzung des Gebäudes einzusetzen, heißt es auf dem Blog der Gruppe. Zeitgleich mit der Besetzung wurde auch ein Protestcamp vor dem Gebäude eingerichtet. Zu diesem hatte das ‚Stadtmitte für Alle’-Bündnis aufgerufen. Angemeldet und genehmigt ging das Camp vier Tage lang.

Die Besetzung hingegen endete noch am selben Donnerstagabend. Die Fachhochschule stellte als Inhaberin des Hausrechts einen Räumungsantrag. Die meisten Besetzer verließen daraufhin freiwillig das Gebäude, einige wenige wurden von der Polizei hinausgeleitet. Vorher kam es zu Gesprächen zwischen FH-Präsident Eckehard Binas, Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) und Vertretern der Besetzer in der Mensa. Diese blieben jedoch ohne Erfolg, da laut André Tomczak, einer der Sprecher des ‚Stadtmitte für Alle’-Bündnisses, der bei den Verhandlungen dabei war, eine Pattsituation vorlag: Die Besetzer waren gekommen, um zu bleiben, während Stadt und Hochschule eine Räumung noch am selben Tag forderten. In Bezug auf den Abriss beziehungsweise zu Alternativen bestand keinerlei Gesprächsbereitschaft von Seiten der Politik.
Das Camp ging weiter bis Sonntagabend. Für Holger Zschoge vom ‚Stadtmitte für Alle’-Bündnis war es ein großer Erfolg. (Hier ein Interview mit Holger Zschoge, welches im Rahmen unseres Videoportraits des Projekthauses Potsdam entstanden ist.) Man habe ein „öffentliches Zeichen gesetzt“, bei dem sich viele verschiedene Gruppen und Initiativen solidarisiert haben. So zum Beispiel auch der AStA der FH Potsdam, der sich In einer Pressemitteilung vom 17. Juli „ im Sinne der Studierendenschaft, die diesen Beschluss in der Vollversammlung am 17. Mai gefasst hat“, gegen den Abriss positioniert.

Versuchtes Bürgerbegehren

Abgerissen werden soll das FH-Gebäude diesen Herbst. Der Streit um die Zukunft des Gebäudes am Alten Markt schwillt hingegen schon lange. Bereits 2015 gründete sich die Initiative 'Potsdamer Mitte neu denken’, um sich für Alternativen zum durch Abriss und Privatisierung gekennzeichneten Stadtumbau einzusetzen. (Hier unser Videoportrait der Initiative) Sie initiierte auch ein Bürgerbegehren, welches mit über 15.000 Unterschriften ein großer Erfolg war. Von der Stadt wurde es jedoch für ungültig erklärt. Dagegen hat die Initiative vor dem Verwaltungsgericht Potsdam Klage eingereicht, welche jedoch abgewiesen wurde. Die Fragestellung sei nicht konkret genug gewesen. „Wohingegen alles was explizit gefragt hätte, ohnehin unzulässig gewesen wäre“, erklärt André Tomczak, der auch Sprecher der ‚Potsdamer Mitte neu denken’-Initiative ist. Da der Weg über ein Bürgerbegehren nun versperrt war, aber um trotzdem möglichst viele Leute zu erreichen, kam es zu Besetzung und Protestcamp.

Erhalt oder Abriss?

Nach dessen Beendigung verlor die Stadt keine Zeit damit, das FH-Gebäude für die Öffentlichkeit zu schließen und mit einem Bauzaun „stärker zu sichern“, wie es in einer Pressemitteilung der Stadt heißt. In dieser wurde auch bekannt gegeben, dass noch diesen Sommer erste Bau- beziehungsweise Abbauarbeiten stattfinden sollen. Doch die Abrissgegner um das ‚Stadtmitte für alle’-Bündnis geben sich nicht geschlagen. Noch Ende des Monats wollen sie ein Kaufangebot für das Gebäude am Alten Markt mithilfe des Mietshäusersyndikats abgeben. Dieses soll laut Holger Zschoge eine reale Alternative zum Abriss darstellen. „Die Stadt würde im Grunde ein öffentliches Gebäude erhalten ohne einen Cent dafür zu bezahlen“, ergänzt André Tomczak.

Um über die Pläne zum Kauf zu informieren, lädt das ‚Stadtmitte für Alle’-Bündnis diesen Freitag, den 28. Juli, ab 17 Uhr zu einer öffentlichen BürgerInnenversammlung auf den Alten Markt. Diese soll auch eine Möglichkeit darstellen, „eigene Ideen und Projekte einzubringen und sich aktiv an der Gestaltung der Stadt Potsdam zu beteiligen“. Auch online kann sich gegen den Abriss engagiert werden. Auf change.org wurde letzte Woche die Petition „Eine Stadt für Alle – Potsdam kämpft für seine FH!“ gestartet. „In unserem Interesse soll die FH erhalten bleiben und sein Potential als Kulturzentrum genutzt werden!“, heißt es darin.
Während für die Stadtverwaltung die Diskussion über Potsdams Mitte abgeschlossen ist, scheint es für die Abrissgegner jetzt erst richtig loszugehen.

Titelbild
Urheber: Alexander Wenzel

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