Was ist das, Suffizienz? Suffizienz gilt im deutschsprachigen Raum neben Ökoeffizienz und Konsistenz als einer der drei grün-goldenen Regeln für eine nachhaltige Ökologie: Das richtige Maß an Konsum und Rohstoffnutzung, welches der heutigen sowie der zukünftigen Generation ein gutes Leben ermöglicht. In dieser Akademie wird genau das gelebt. Hier wachsen Bäume, die Seminarräume erinnern nicht zufällig an Scheune und Stall, das Klo ist aus Holz gemacht, das Essen wird in der Pause von den Teilnehmer*innen frisch zubereitet. Auch Stehpulte werden hier selbst gezimmert aus Brettern, die noch übrig sind von der letzten Bauaktion.
Die Akademie für Suffizienz ist ein Ort zum „Projektemachen“, so Matthias Finck, Typ Bastler und Erfinder und im „anderen Leben“- nicht weit davon entfernt - Maschinenbauingenieur. Er sei nicht so der Theoretiker, aber die Idee des Ganzen hat er ohnehin längst verinnerlicht. Wenn Matthias über die Dinge erzählt, aus denen er hier seit Jahren sägt, schraubt und klotzt, gerät er ins Schwärmen: Dann folgt die Funktion der Form, etwas stellt sich her, fast von allein. Das Material entscheidet über den Zweck, gibt Anweisungen, versperrt sich auch mal. Genau darin liegt das kreative Potenzial, das weg von jeder Standardisierung und Planbarkeit, dafür wie von selbst Originalität hervorbringt. In dieser Baupraxis liegt nicht nur eine Designtheorie, sondern auch eine Lebenseinstellung verborgen.
Die Geschichte der Akademie lässt sich grob dreiteilen: Im Jahr 2008 steht in Reckenthin ein Stück Land von einem halben Hektar zum Kauf bereit. Corinna und Matthias gelingt es das Stück Land zu einem Spottpreis zu erwerben. Das Gebäude darauf, mehr verfallen als vorhanden, gibt es zu diesem Zeitpunkt gratis dazu. Allerdings: zu tun gibt es ebenso Einiges. Das Dach, die Wände müssen erneuert werden, eigentlich alles wartet auf Sanierung. Selbst gesetzte Projektlaufzeit: 10 Jahre. So viel Zeit muss sein, sagen sich die nun mehr drei Freunde (Dieter kam nach zwei Jahren dazu). Dann muss alles stehen, niet- und nagelfest sein und bewohnbar, und zwar ganzjährig. „Aber nicht, um selbst einzuziehen“, räumt Matthias ein. Stattdessen stehen die Räume seit zwei Jahren Seminargruppen zur Verfügung. Demächst soll eine Pestoküche eröffnet werden, ansonsten gibt es Workshops zu Theorien und Praxen, die sich meistens um Nachhaltigkeit oder eben Suffizienz drehen.
Suffizienz fragt: Was und wieviel ist genug, um ein gutes Leben zu führen? Aus der Beantwortung dieser Fragen folgen ethische Positionen, die zur Gestaltung wirtschaftlichen Handelns beitragen. Es geht nicht um Verzicht, weil wir alle „viel zu lange über unsere Verhältnisse gelebt haben«. Stattdessen fordert die Akademie ihre Umwelt auf andere Weise heraus. Hier soll ein ohnehin vorhandender Reichtum neu entdeckt werden können, der „aus dem eigenen Handeln erwächst, aus dem Umgang mit dem, was die Region anbietet.“ Einmal gefunden, fällt es nicht schwer, ihn zu teilen.