Maximal 10 Millimeter Krümmung auf 10 Zentimeter Gurke, um noch die Note „Extraklasse“ zu erhalten. Klingt hart, erleichtert Verarbeitern aber das Verarbeiten und Verkäufern das Verkaufen, da alles hübsch standardisiert ist. Und passt du nicht rein in die Gurkenkrümmungsverordnung wirst du zur Gewürzgurke verarbeitet. Da das aber auch wieder aufwendig ist und Geld kostet, geht es manchmal eben gleich auf den Müll. Diese erschreckende Ressoucenverschwendung war von 1998 bis 2009 Programm in der EU und ihren Zulieferermärkten. Zum Glück hat das ein Ende. Offiziell. Inoffiziell gibt es diese stark industrialisierten Ansätze jedoch immer noch. Zeit, dem etwas entgegenzusetzen.
Dass krumme Gurken nur genauso gut schmecken, wie ihre perfekten Kameraden ist kein Geheimnis. Und so trug es sich zu, dass der Regionalladen in Eberswalde sich den Namen „Krumme Gurke“ aufs Schildchen pinselte. Um dem Normierungswahn der großen Handelsriesen etwas entgegenzusetzen und zu beweisen, dass auch scheinbar handelsschwache Regionen immer noch durch das gesamte Sortiment fähig sind ihre Bewohner zu versorgen. Dass ist nicht nur wirtschaftlich konsequent, sondern auch furchtbar nachhaltig. Lange Transportwege bleiben aus und Kleinbauern werden gestärkt. Das wiederum trägt zur sozialen sowie ökologischen Entwicklung der Region bei.
Anne hat den Laden 2016 nach ihrem Bachelorabschluss an der HNEE übernommen. Gegründet wurde er schon fünf Jahre vorher, ebenfalls von einer Studentin der Hochschule vor Ort. Die rund 50 Erzeuger kennt sie alle persönlich und so weiß sie auch ganz genau, wo die Lebensmittel herkommen. Die Transportwege werden unter den Unterstützern des Ladens aufgeteilt und jeder Unterstützer erhält die gleiche Entlohnung.
Im Laden gibt es alles, was Barnimer Mägen und Herzen begehren. Von der selbst zu zapfenden Milch über Wildschweinsalami hin zu Marmeladen, Getränken, Aufstrichen, Brot, ja sogar Gewürzgurken gibt es hier. Und was für welche – die Erzeugerin hat ihren ganz eigenen Einlegesud kreiert – in den Varianten normal und leicht scharf. So vielfältig kann die Region sein und dem geneigten Konsumenten alles bieten, was er braucht, ganz ohne Zwischenhändler, überzogenem Marketing, übersteigertem Angebot oder anderer industrieller Normen.
Angenommen wird der Laden sowohl von Studenten, als auch von alteingesessenen Eberswaldern. Ganz wichtig für die Kunden und auch für die Menschen hinter der Theke scheint dabei der direkte Kontakt und der Austausch über die Produkte zu sein. Da seitens des Ladens auch der direkte Kontakt zu den Erzeugern besteht, kommen Konsumenten und Produzenten in der Krummen Gurke, zwar indirekt, aber eben doch ganz anders in Kontakt als im groß strukturierten Einzelhandel.
Für die Erzeuger ist es nicht ganz der Rettungsanker, von dem Anne anfangs dachte, dass er es sein könnte, denn der Laden ist für einen entsprechenden Direktabsatz einfach viel zu klein. Dennoch geht es um den ideellen Aspekt des Ladens, dass es selbstorganisiert, fernab der stark monetär geprägten Supermärkte eben auch funktionieren kann. Zu dogmatisch muss es in der Krummen Gurke aber auch nicht zugehen. So gibt es aktuell auch Lorbeerblätter aus Italien, da der Vertrieb auch in diesem Fall über den direkten Kontakt mit dem Erzeuger gewährleistet wird.
Seit Dezember 2016 kann man im Laden auch das von den Initiativen wandelBar und hebewerk gebaute Lastenrad ausleihen. Mobilität kann halt auch anders und fernab von Ressourcenverschwendung funktionieren. Vielleicht ja auch bald für den zukünftigen Lieferservice des Ladens. In Eberswalde scheint der Wandel sich zu Hause zu fühlen. Hier entwickelt sich ein Vorbild, das für die Entwicklung der gesamten Region wegweisend sein kann. Weiter so.