Noch 18 Mal schlafen, dann auf nach Potsdam! Und daraufhin nach Kyritz, Barnim oder Beelitz - Orte, die die Berliner*innen vielleicht nur von den Autbahnschildern kennen - und die Brandenburger*innen, nun ja, vielleicht noch nicht so: Im Projekthaus Potsdam startet am 9. September die Wandelwoche 2016 in Brandenburg. Das erfolgt natürlich nicht ohne Tamtam, sondern mit Input in jeder Hinsicht: Erste Teaser für die Touren und Videos zum Wandel laden zum Denken und zu Diskussionen. Obendrauf gibt’s Musik für die Ohren, Bar für wenig Bares und Schmackhaftes aus dem Ofen. Einen inhaltlichen Schwerpunkt des Auftakts und der diesjährigen Wandelwoche bilden die lokalen Initiativen von und für Refugees: Im Projekthaus werden der Flüchtlingsrat Brandenburg und „Women in Exile“ über ihre Arbeit sprechen und Fragen stellen nach mehr Teilhabe im ländlichen Raum.
Wie überhaupt sieht die Wohnrealität von Geflüchteten in Potsdam aus? Und was lässt sich verbessern? In MAKE SPACE kooperieren freiLand und Studierende der FH Potsdam, um alternativen Wohnraum zu schaffen. Das Projekt zeigt in einer Tour 9. September, wie die Erstaufnahme von Refugees in Sammelunterkünften aussieht und welche Alternativen es zu Zelten und Containern gibt. Privatsphäre, selbstbestimmtes Leben und eine Anbindung an soziokulturelle Infrastrukturen sollen ressourcenschonenden und schnell aufbaubare Häuser ermöglichen, die die Studierenden entworfen haben. In dieser ersten Fahrrad-Tour werden verschiedene Gemeinschaftsunterkünfte von Geflüchteten besucht und deren Konzepte unter verschiedenen Aspekten wie Menschenwürde und „Integration“ diskutiert. Vom Wohnheim Barnim geht es bis zur Ausstellung MAKE SPACE, und dabei nicht nur um Erstaufnahmelager, sondern die generelle Frage: Wie ist lebenswerter Wohnraum möglich, für alle?
Wer wohnt wo und wie und überhaupt: Immerhin boomt der Kauf von Bauland in Brandenburg wie nie zuvor seit 1991 und ist im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr nochmal um 16 % gestiegen. Gleich drei Initiativen laden daher ein, alternatives Wohnen in Brandenburg zu entdecken. Ein ganzes Ökodorf ist derzeit bei Beelitz am Entstehen. Hier gibt es „Ganz viel Land“, sowie viele verschieden ausgerichtete Nachbarschaften. Seit 2015 steht hier der Versuch sich Platz für solidarisches Wohnen zu schaffen, das vorort ökologische und soziale Perspektiven schafft. Am 10. September lädt der Verein Neugierige zu einem Kennenlernen, beantwortet Fragen und führt über das Gelände. Auch in Werder berichten am 9. September die Bewohner*innen der Uferwerk Genossenschaft von Strohballenbau, Mehrgenerationenwohnen und Sozialfonds. Auf dem 17.300 qm großen Fabrikgelände direkt am Zernsee zeigt das Uferwerk eine solidarische Wohnalternative zu Mietpreissteigerungen. Das Wohnprojekt Schöneiche schließlich will ins ehemalige Rathaus und die alte Bürgel-Schule ziehen und dort langfristig solidarisches und bezahlbares Wohnen ermöglichen. Auch hier lässt sich reinschauen und ins Gespräch kommen.
Die Akademie für Suffizienz in Reckenthin lädt am 11. September zu einem vierstündigen Crashkurs über Wachstumskritik und Ökologische Ökonomie. Nord-westlich von Berlin im Grünen gelegen, gibt es nach einer theoretischen Einführung, auch Selbstbetätigungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen wie Low Tech, Kreislaufwirtschaft, ökologischem Bauen. Dazu ein Gläschen DIY-Obstwein? Ein „Herz für Humus“ hat der Ökohof Waldgarten in der Prignitz. In diesem Workshop und der Tour am 16. September geht es rund ums Humus, allerdings nicht den fürs Brot. Wir lernen, wie Humus geht, was Kompost alles kann und wie ökologische Toiletten von Kompost profitieren.
„Nix los in der Niederlausitz?“, fragen die Macher*innen der Cottbus-Tour und geben gleich die Antwort: „Denkste!“ Ja, Südbrandenburg hat eine Szene und die lässt sich in dieser Tour am 13. September zu Fuß erkunden. Während gemeinsam Gedanken über Geldfreiheit und den Wert der Dinge ausgetauscht werden, dürfen die Hände im StadtGarten wühlen. Auch im Kost-Nix-Laden wird getauscht, nach Bedürfnis versteht sich, der Cottbuser Umsonst- und Tauschladen birgt sicher einiges lang Ersehntes. Man kann es aber auch selber machen, zum Beispiel im FabLab, der offenen Werkstatt auf dem Uni-Gelände. Zum Schluss wird im Muggefug „gebichlt“. Für die Ortsfremden: Muggefug galt einst als DDR-Delikatesse: braun, heiß, ja: kaffeeähnlich, gehörte es zu jedem noch so gemütlichen Kaffeekränzchen dazu. In der alteingesessenen Cottbuser Studentenkneipe gibt’s heutzutage aber auch leckeres veganen Essen, bei dem sich noch mehr über Cottbus – mal anders - erfahren lässt.
Auch die Wandelwoche Brandenburg, die ja bekanntlich ohnehin die Dauer einer Woche nach mitteleuropäischer Zeitrechnung überschreitet, geht einmal zu Ende. Der Abschluss wird am 17. September in der Prignitz begangen und befeiert. Auf dem Markt der Möglichkeiten in Kyritz bieten verschiedene Projekte und Unternehmen ihre nachhaltigen, ökologischen und regionalen Produkte feil. Auf ersten Fotos und Videos der Wandelwoche kann man sich selbst entdecken. Aber auch das Programm ist noch nicht erschöpft und bieten einen Ausblick nach Italien: Die einst verlassenen Bergdörfer Riace und weitere Dörfer Kalabriens/Süditaliens haben durch die Aufnahme von Geflüchteten einen Wandel erfahren. Elisabeth Voß (Betriebswirtin und Publizistin) und Bruno Watara (Refugee Activist) berichten über ihre Reise und Eindrücke vorort und fragen: Welche Chancen stecken im „Modell Riace“ für die Prignitz/Ostprignitz? Zeitgleich können Frauen lernen, wie sie sich im Sport selbst ausdrücken und auch selbst verteidigen können. Im diesem Workshop gibt Imke Bartmann von Lowkick Berlin e.V. und Sidekick Leipzig e.V. praktische Hits und Kicks für Einsteiger*innen. Ein Comic-Workshop für Mädchen mit Fluchterfahrungen von Ali Fitzgerald zeigt, wie mit dem Stift Geschichten auf Papier fixiert werden, die Lustiges, Trauriges oder etwas erzählen, was sonst vielleicht keinen Platz findet.
Die Anmeldungen für die Workshops und Touren für die Wandelwoche Brandenburg 2016 sind ab sofort möglich und ausdrücklich erwünscht!