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Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Der Verein apfelundkultur möchte inmitten von Monokulturen Diversität erhalten und der Dorfgemeinschaft den Wert der Ökologie vor der Tür und den Wert ihrer Gemeinschaft schmackhaft machen. Manchmal auch ganz sprichwörtlich mit selbstgepresstem Apfelsaft.

von Claudia Dube
Themen Kultur Lebensmittel und Ernährung Nachbarschaft
17 November 2016

Die zwei zusammengelegten Dörfer Paaren und Uetz nördlich von Potsdam sind geprägt von Maismonokulturen. Wenn man sich mal auf der Zunge zergehen lässt, dass Menschen immer auch von ihrem Umfeld geprägt werden, dann stellt sich unweigerlich die Frage, was vollkommen leer geräumte Landschaften mit den Menschen machen, die in ihr Leben. Ganz zu schweigen von den Tieren. So hat die Agrarlandschaft dann irgendwann nur noch geringen kulturellen Wert und nahezu keinen ökologischen mehr. Oder wann sind Sie das letzte Mal durch ein Maisfeld sonntagsspaziert?

Wir streifen mit Gerd Neef von Verein apfelundkultur durch die verwilderten Areale. Eine 1 ha große Fläche hat der Verein bereits entwildert und zu einer Streuobstwiese umgestaltet. Die Äpfel, die auf dieser Fläche gewonnen werden, werden hauptsächlich zu Apfelsaft verarbeitet. Eine Modellrechnung: in 2016 lag die gesamte Erntemenge des einen Hektar erhaltener Streuobstwiese bei ca. 4,5 t. Aktuelle Statistiken besagen, dass der durchschnittsdeutsche Pro-Kopf-Verbrauch bei 23,5 kg liegt. Bei einer Einwohnerzahl von 170 Menschen ergibt das ca. 4 t Apfelverbrauch in Paaren. Mit nur dem ersten Hektar könnte also der gesamte Bedarf der Paarener gedeckt werden. Selbstversorgung at its best.

Zum Apfelerntefest 2014 stellten die Stephanus Werkstätten Berlin eine mobile Saftpresse und der Apfelsaft konnte direkt vor Ort verkostet werden. Die restlichen 4 ha Plantagen liegen noch im Dornröschenschlaf. So als wären nach der Wende alle schreiend davon gerannt und hätten alles stehen und liegen lassen. War in der DDR Importe von Obst unbedeutend, so war es umso wichtiger den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen. Der Streuobstbau wurde durch hohe Zahlungen der zentralen Obstankaufsstellen intensiv gefördert. Mit der Wiedervereinigung ergaben sich neue Möglichkeiten der Versorgung, Obst wird aus der ganzen Welt importiert und es lohnt sich auch nicht mehr Äpfel zu Mus zu verkochen, da die Supermarktvariante günstiger ist. Die Selbstversorgung Deutschlands bei Äpfeln liegt bei ca. 40 %. Mit guten Lagermöglichkeiten und einer Diversifizierung der Sorten oder einfacher: mit dem Erhalt der alten Sorten, lässt sich dieser Selbstversorgungsgrad sicher noch erhöhen. Wetten?

Verlassen war auch das Gehöft in der Paarener Dorfstraße, bevor sich einige Interessierte fanden und diesen Vierseitenhof zu einer großen Wohngemeinschaft ausbauten. Gerd Neef vom Verein apfelundkultur zog etwas später mit seiner Familie dazu. Irgendwann bekam man Wind davon, dass die einzelnen Parzellen Apfelplantagen vom Bauern aufgekauft werden sollten. Die neun Parzellen, die die sehr homogene Agrarlandschaft immer wieder unterbrechen, stellen sich als störend in der Bewirtschaftung der Flächen dar. Würde die Fläche in Besitz der Agrargenossenschaft übergehen, würden sie entfernt und die Landschaft rund um Paaren nur noch eine flache Agrarlandschaft zur Erzeugung von Energiepflanzen. Das sollte so nicht geschehen. Man machte sich daran den Besitzer der Plantagen ausfindig zu machen, den man schließlich in Herford fand. Er war begeistert von der Idee die Flächen erhalten zu wollen und gegebenenfalls sogar zu Streuobstwiesen umzugestalten. So wurde er dann auch Gründungsmitglied bei apfelundkultur. Momentan pachtet der Verein die Flächen von ihm. Wie es mit den Besitzverhältnissen der Wiese in der Zukunft geklärt werden kann ist noch relativ unklar. Wünschenswert wäre , dass die Flächen in Besitz des Vereins übergehen und so langfristig für die Paarener gesichert werden können.

Die schlafenden Flächen kann man fast schon als renaturiert bezeichnen. Hopfen und Brombeersträucher haben sich die Apfelbäume zu Eigen gemacht. Bei unserem Streifzug durch die Plantagen haben wir Wildschweinsuhlen und Laufwege von anderen Wildtieren entdeckt. Natur wird hier spürbar und man wird damit konfrontiert, wie es wohl wäre, wenn es diese Orte nicht mehr gibt. Einerseits ist es nicht ökonomisch ertragreiche Bäume einfach zu zerstören, denn bei einer Lebenszeit von 60 Jahren liefert ein neu angepflanzter Apfelbaum die ersten zehn Jahre keinen nennenswerten Ertrag. Effizienter wäre der Erhalt. Und andererseits-wo sollten die Tiere hin, wenn es diese Orte nicht mehr gibt? Mit einer Umgestaltung der Flächen zu Streuobstwiesen könnte man dem Zwiespalt zwischen Nutzung und Erhalt als Naturraum begegnen. Die Flächen wären nicht mehr so stark verwildert, dass den Bäumen irgendwann der Saft ausgeht, sie wären aber auch nicht so stark kultiviert, dass Tiere den Ort nicht mehr als natürlichen identifizieren können.

Für die mittlerweile 21 Mitglieder des Vereins ist es eine riesige Aufgabe auch die anderen Wiesen noch zu entwildern. Auch für die darauffolgenden Tätigkeiten, wie Baumschnitt, Wiesenmahd und Ernte werden noch fleißige Helfer gesucht. Die Öffentlichkeit, also insbesondere auch die Uetz-Paarener für die Sache zu begeistern stellt sich hier und da herausfordernd dar. Zunächst gab es die Vermutung, dass es an Begegnungsorten fehlt und man so einfach nicht über solche Themen ins Gespräch kommt. Mit der Schaffung eines Raumes durch die Kirche in Paaren, gab es diese Möglichkeit. Also wurde eine Veranstaltung geplant, um über das Konzept der Streuobstwiese zu berichten. Leider war die Resonanz nicht so groß, dass das Ziel den Verein darzustellen erreicht werden konnte.

Und so stellt sich dann die Frage: wenn der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, wo geht es dann hin mit der Gemeinschaft? Wer gestaltet denn das Dorf, wenn nicht die Bewohner? Und wie kann die Zukunft für die nachfolgenden Generationen bereitet werden? Wenn Landwirtschaft direkt vor der Haustür passiert, dann kann man sich vielleicht am ehesten die Fragen stellen, für wen diese Fläche eigentlich genutzt wird. Gerd Neef wünscht sich für die Zukunft, dass der Verein eine gemeinschaftliche Plattform für die Paarener darstellt. Ein Ort an dem man wieder zusammen kommt und etwas gestaltet. In Paaren wohnt man. Zum Einkaufen fährt man nach Falkenrehde, für Gemeinschaftsveranstaltungen nach Uetz. Bestrebungen die beiden Dörfer stärker zu vernetzen gibt es. So hat man in 2016, auf Initiative des Vereins, das Osterfeuer nach Paaren geholt. Die Veranstaltung stieß auf rege Teilnahme seitens der Bürger. So fand auch das Martinsfest am 15.11.2016 wieder hier statt.

Berichten die Alteingesessenen noch heute davon, wie schön es damals war sich beim Konsum zu treffen und ein Schwätzchen zu halten, so könnten die Streuobstwiesen rund um Paaren und der Verein genau das bieten. Und dass man dabei auch noch Lebensräume erhält und sich ein Stück weit versorgen kann, wenigstens mit Äpfeln und Apfelsaft, kann die Gemeinde dann auch wieder enger in Kontakt mit ihrer Umgebung bringen. Der Apfel fällt eben nie wirklich weit vom Stamm-manchmal liegt er direkt vor der Haustür.

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