Dass in der Landwirtschaft vieles nicht so ganz rund läuft, ist längst kein Geheimnis mehr. Viele agroindustrielle Betriebe haben sich in ihrer Produktion von den natürlichen Bedingungen entkoppelt. Die Folge sind langfristige Schäden für das Ökosystem, die Biodiversität die Böden und damit schlussendlich auch für den Menschen. Um gegen diese Missstände nicht nur aufmerksam zu machen, sondern auch Lösungen zu entwickeln, haben sich bereits 2018 eine Handvoll Expert*innen zusammengefunden und die Initiative Ackercrowd ins Leben gerufen. Mittlerweile haben sie es geschafft, einige engagierte Menschen mit ins Boot zu holen und die Kampagne richtig ins Rollen zu bringen.
Einer der Gründer von Ackercrowd ist Frank Nadler. Als Mitglied des Ernährungsrats Berlin beschäftigt er sich schon lange mit dem Thema Ernährungssicherheit. Für ihn ist schon länger klar, dass es mit einem Weiter-so nicht getan sein kann: „Das war die klare Erkenntnis aus dem Weltagrarbericht der Vereinten Nationen. Das ist mittlerweile über 10 Jahre her und die empfohlenen Maßnahmen werden leider konsequent nicht umgesetzt und eher verhindert.“ Die Schuld daran will er niemandem konkret geben, sondern sieht die Ursache eher in einer Vielzahl von Rahmenbedingungen, die in der Summe falsche Anreize und so gefährliche Handlungszwänge ergeben. „Die Form der Industriellen Landwirtschaft wurde in den letzten Jahrzehnten durch die Interessenverbände und die Politik der Landwirtschaftsministerien fokussiert gefördert und für einen globalisierten Markt getrimmt. Zusammen mit dem mittlerweile oligopolistisch-strukturiertem Lebensmittelhandel und dem (provozierten) Rückgang einer lokalen Verarbeitungs-Infrastruktur haben sich große wirtschaftliche Abhängigkeiten entwickelt.“
Eine Unterscheidung zwischen „Konventionell“ und „Bio“ lehnt er auch aufgrund dieser Gemengelage ab. „Auch im Biobereich gibt es mittlerweile einen enormen Markt- bzw. Preisdruck, den nicht zuletzt die Bio-Labels mit ihren Vermarktungsentscheidungen beschleunigt haben. Das führt auch hier zu industriellen Strukturen. "Wachse oder weiche" bleibt das beherrschende Dogma.“ Er plädiert daher für die Unterscheidung in „industrielle“ und „bäuerliche Landwirtschaft.“ Und letztere hätten es immer schwerer. Denn die meisten Betrieben blieben im Hamsterrad gefangen und täten sich schwer auszusteigen. Einzelne Leuchtturmprojekte, die sich durch geschickte Direktvermarktung oder die Etablierung solidarischer Strukturen einen gewissen Spielraum erarbeitet hätten, blieben die Ausnahme. „Für das Gros der bäuerlichen Betriebe bleiben jedoch die Abhängigkeiten im aktuellen System. Wir benötigen dringend konkrete wirtschaftliche Perspektiven, um den Höfen Widerstände und Bedenken zu nehmen, eine andere Art der Landwirtschaft, nämlich eine aufbauende, zu betreiben. Damit erhalten sie auch wieder die verdiente Wertschätzung als „Behüter“ der Kulturlandschaften zurück.“
Gemeinsam mit der Ackercrowd will er diese Perspektiven erarbeiten und umsetzen. Schließlich lautet das Motto der Initiative „Gegen jeden Monokultur ist eine Crowd gewachsen.“ Einbringen kann sich dabei jeder. „Die Ackercrowd versteht sich als Experten-Kollektiv, mit einem Netzwerk aus Praxis und Wissenschaft unterstützt durch motivierte Menschen die einfach dabei helfen wollen, dass das alles möglich wird.“ Finanziert wird Ackercrowd über eine Crowdfundingkampagne. Wobei die Arbeit in der Crowd bisher rein ehrenamtlich geschieht. Die Mittel der bisherigen Spenden wurden dazu verwendet, erste Projekte umzusetzen. So konnte Ende letzten Jahres eine Windschutzhecke auf dem Ökohof Waldgarten in der Prignitz gepflanzt werden. Diese Hecke soll zum einen den Acker durch windbedingte Erosion schützen. Zum anderen besteht sie aus mehreren Fruchttragenden Gehölzern wie Kirschen, Birnen oder sogar Kiwis, die auch einen Ertrag abwerfen sollen. Gehölzstrukturen spielen bei den Planungen der Ackercrowd ohnehin eine sehr wichtige Rolle. Durch ihre Fähigkeit CO2 in ihren Wurzeln zu speichern, tragen sie eminent zum Kampf gegen den Klimawandel bei. Im Gegensatz zu diversen Kampagnen und Unternehmen, die blind überall Bäume pflanzen wollen, gerne auch im globalen Süden, legt die Ackercrowd Wert darauf, dass die finanzierten Strukturen auch Ertrag für den Landwirt abwerfen. Nur so lassen sich der Kampf gegen den Klimawandel und für die Ernährungssicherheit in Einklang bringen.